Suter Erlesen
Die Liebe zum Buch kommt vor dem Profit!
 
 
 

Milena Moser, Land der Söhne
Nagel & Kimche 
ISBN 3 312 01093 4
Sfr. 25.-

Eines der fulminantesten Familiendramen, die ich je gelesen habe!

Ungewöhnlich bis zum letzten Detail wird die Familiengeschichte von dem Mädchen Sophia ausgebreitet:
Ihre beiden Väter, der Grossvater, alles betrachtet mit Kinderaugen. Haarscharf beobachtet, mit Leichtigkeit geschrieben, packend.
Je weiter man sich in den Roman verstrickt umso mehr erkennt man die Zusammenhänge. Geradezu dramatisch !
Hier wächst Milena Moser endlich über sich hinaus.
Ein grosser Roman!
12.09.2018

 

Isabel Allende, Ein unvergänglicher Sommer
Suhrkamp 
ISBN 978-3-518-42830-6
SFR. 27.-

Nie war der Tod dem Leben so nah
Geht es um Liebe?
Geht es um Auswanderung oder Einwanderung oder Flucht?
Wovor? Wohin?

Isabel Allende versteht es wieder meisterhaft, Menschen zu erfinden, die jeder für sich genommen schon aussergewöhnlich sind. Ein guatemaltekisches Kindermädchen ohne Aufenthaltsgenehmigung, ein eigenbrötlerischer Professor und eine Chilenin, die seit Jahren die grosse Liebe sucht: Im Dreierpack vor der Kulisse von Brooklyn mit einer Leiche im Kofferraum entstehen Wunder!
Jedes Schicksal ist besonders, jeder Weg von wo auch immer nach hier ist bestimmt. 
Nicht die ganze Zeit ein Vergnügen, manchmal treibt es einem auch die Tränen in die Augen – sehr empfehlenswert!
12.09.2018

Hansjörg Schertenleib, Die Fliegengöttin
Kampa Verlag 
ISBN 978 3 311 21002 3
Sfr. 19.-

Hier wird es uns gezeigt: Glaube, Hoffnung, Liebe – aber die Liebe ist die grösste unter ihnen…


Es ist ein Kreuz, alt zu werden.
Und wenn die Partnerin sagt:
„Ich will keinem zur Last fallen, Willwit, nur Dir.“
Wie können sie weiterleben? Wie funktioniert das Leben, wenn einen das Denken im Stich lässt, wenn sich die Partnerin verändert?
Vor dem Hintergrund der rauen Küsten Irlands entwirft Hansjörg Schertenleib das Porträt einer großen geglückten Liebe, erzählt ehrlich und anrührend von Fürsorge und Zärtlichkeit, Überforderung und Hilflosigkeit, Erinnern und Vergessen.
Eine liebevolle Novelle, gespickt mit so vielen kleinen Details, die man gar nicht alle auf den ersten Blick wahrnimmt. Nach und nach kommt das zum Vorschein, was das Leben ausmacht: schöne und schreckliche Erinnerungen, Wege, die zu gehen schwer und dennoch richtig waren, Entscheidungen, die man heute anders treffen würde, Erlebnisse, von denen man gar nicht mehr weiss, warum, man sie herbeigeführt hat.
Ein Buch zum nochmal und nochmal lesen.
12.09.2018
 

Alex Capus, Königskinder
Hanser
ISBN 978-3-446-26009-2
SFR. 23.-

Wahre Liebe im Schneesturm

Unglaublich, wie Max und Tina ein Unwetter auf einem Alpenpass überleben, eingeschneit, keine Aussicht auf Hilfe und unwissend, was der nächste Tag bringen mag.

Max erzählt Tina eine Geschichte, angeblich hat sie sich wahrhaftig ganz in der Nähe zugetragen.
Er spinnt die Geschichte auf Tinas Nachfragen weiter und es entsteht ein wundervolles Märchen, das uns den Glauben an die wahre Liebe zurück gibt.
Ein grandioses Feuerwerk der Wortkunst und Fabulation!
12.09.2018

Otto Waalkes, Kleinhirn an alle
Die grosse Otto Biographie
…nach einer wahren Begebenheit
Heyne ISBN 987 3 453 20116 3
Sfr. 22.-

Kritiker sind im Grunde Menschen, Menschen wie Du…
Welches Satz sagt besser aus, was ich jetzt sollte?
Sicher: keine Kritik schreiben…


Aber wenn ich eine schreiben würde, wäre ich des Lobes voll, würde ich bemerken, welchen Einfluss Otto auf mein Leben hatte, ja, auf das Ganze. 
Denn was Wilhelm Tell in der Schweiz, das ist in Norddeutschland uns Otto!
Natürlich kann ich Teile der ersten Kassette, Tape würde man heute sagen, auswendig! Immer noch!
Von Robin Hob, dem Krütschkopp der Waisenkinder, über Susi Sorglos und dem Schicksal der Titanic…
Ja, ich glaube, hier habe ich zum ersten Mal von der Titanic gehört, ich war ja erst zehn.
Und nach der Lektüre dieses Buches muss ich sagen:
ich kenne niemanden, der es so versteht viel Ausdruck in wenig Worte zu legen. Klar, Otto ist für Ostfriesland schon eine Plaudertasche, hat er doch als Kind zu viel Labertran bekommen.
Und es reicht ein kleine Anticken der alten Themen und alles steht wieder vor meinem geistigen Auge: Tränen habe ich gelacht, lache immer noch.
Und doch ist es ein ernsthaftes Buch, voller Selbstzweifel. 
Da kann ich sehr gut mitfühlen. Und an Ottos Beispiel wird klar: 
Autentizität ist das Wichtigste. Sei immer Du selber!
Insofern würde ich diesem Buch eine Hochgradig psychologische Wirkung bescheinigen – wenn ich eine Kritik schreiben würde.
Aber das mache ich nicht, ich sage einfach:
Kauft jeder eins! 
Das ist ein Stück Geschichte und nicht nur deutsche!
28.05.2018

Ralf Rothmann, Der Gott jenes Sommers
Suhrkamp ISBN 978 3 518 42793 4
Sfr. 24.-

Erschütternd eindrücklich

Ein Kind im Krieg: Anfang 1945 muss die zwölfjährige Luisa mit ihrer Mutter und der älteren Schwester aus dem bombardierten Kiel aufs Land fliehen. Das Gut ihres Schwagers Vinzent, eines SS-Offiziers, wird ein unverhoffter Raum der Freiheit: Kein Unterricht mehr, und während alliierte Bomber ostwärts fliegen und immer mehr Flüchtlinge eintreffen, streift die Verträumte durch die Wälder und versucht das Leben diesseits der Brände zu verstehen: Was ist das für eine Beunruhigung, wenn sie den jungen Melker Walter sieht, wer sind die Gefangenen am Klostersee, wohin ist ihre Schwester Billie plötzlich verschwunden, und von wem bekommt die Perückenmacherin eigentlich die Haare? Und als ihr auf einem Fest zu Vinzents Geburtstag genau das widerfährt, wovor sich alle Frauen in jenen Tagen fürchten, bricht Luisa unter der Last des Unerklärlichen zusammen.

Einfach erzählt aus Luisas Sicht bekommt der Leser Spielraum für seine eigene Phantasie, denn wir wissen mehr als das Kind. 
Und das, was uns so schrecklich und weit weg erscheint, ist nicht einmal hundert Jahre her.
28.05.2018


Klüpfel/ Kobr
Kluftinger
Ullstein Verlag 
ISBN 978 3 55008179 8
Sfr. 24.-


Dramatisch schön!

Der liebenswerte, etwas kauzige Kommissar Kluftinger bekommt Profil!
Wollten wir nicht schon immer wissen, wie es zu dem Kosenamen „Butzele“ gekommen ist?
Und wieso trägt Kluftinger so eine herbe Fahne der Ausländerfeindlichkeit vor sich her?
Wobei das so sympathisch rüberkommt, dass man es ihm gar nicht übel nehmen kann. Das sitzt praktisch in den Genen.
Was hat ihn bewogen, die Polizeilaufbahn einzuschlagen?
Es kommt sogar Oliver von Bodenstein vor, was Nele Neuhaus besonders freuen wird.
Diese Nebenschauplätze sind um die reine Existenzfrage der aus vielen Krimis bekannten Figur gerankt.
Die Ernsthaftigkeit dieses Dramas ist dennoch unumstritten:
es geht um Kluftinger selber, um Verstrickungen aus früheren Zeiten. Da darf auch mal eine Träne zerdrückt werden…
Endlich werden die vielen Fragen beantwortet, die man sich schon immer gestellt hat! 
08.05.2018

Lukas Hartmann, Ein Bild von Lydia
Diogenes 2018
ISBN 978 3 257 07012 5
Sfr. 25.-





Ein historisches Bekenntnis

Hier in der Schweiz kennt den Namen jeder: Escher!
Zu Lebenszeiten heftig für seinen Einsatz beim Bau des Gotthardtunnels kritisiert, setzte man ihm posthum ein Denkmal in seinem Heimatort Zürich.
Doch bei Lukas Hartmann geht es um seine Tochter Lydia, verheiratet mit einem Spross einer anderen namhaften Familie, dem Sohn des Bundesrats Welti, fand sie wenig Erfüllung in der oberen Gesellschaftsschicht. Daher wandte sie sich der Kunst zu. Sie lernte den Mal Karl Stauffer kennen – oder sollte ich besser „Carlo“ sagen, wie er sich selber nannte, weil er sich sehr nach Florenz hingezogen fühlte? 
Parallel dazu treffen wir auf Gottfried Keller, der genau wie Lydia von Stauffer portraitiert wurde.
Seine Novellen aus Seldwyla finden Einzug in diesen grossartigen Roman. Und genau wie bei „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ findet die Romanze zwischen Lydia und Carlo kein gutes Ende.
Lebendig wird das Geschehen durch die Perspektive:
Luise, die „femme de chambre“, lernt Frau Lydia sehr gut kennen und schildert die Begebenheiten auf eine liebenswerte unerschrockene Weise.

Unglaublich, was sich in den letzten hundert Jahren sowohl auf politischer als auch auf gesellschaftlicher Ebene verändert hat! Dafür bin ich sehr dankbar!
26.04.2018


Katerine Engberg, Krokodilwächter
Diogenes
ISBN 978-3-257-07028-6
Sfr. 24.-





Unerhörte Verstrickung in Dänemark

Die Ermittlungen in dem mysteriösen Mordfall an einer jungen Studentin laufen schleppend. Bis sich per Zufall ein unveröffentlichtes Manuskript findet, das genau diese Tatumstände schildert.
Was haben die alte Vermieterin und ihr Literaturzirkel mit der Tat zu tun?
Packend von der ersten Seite an mit starken Charakteren. 
09.04.2018

Juli Zeh, Leere Herzen
Luchterhand 
ISBN 978-3-630-87523-1
SFR. 25.-



Woran glaubt, wer nicht glaubt?

Besser organisiert als die Familie von Britta kann man sich im Moment fast nichts vorstellen. Dabei spielt dieser Roman von Juli Zeh, die mich schon mit „Unterleuten" in ihren Bann gezogen hat, in nicht allzu ferner Zukunft.
Die sehr erfolgreiche Britta gerät mit ihrem Kollegen Babak in Machenschaften, die aus einer Gesellschaft resultiert, die nur noch pragmatisch sich zu Nutze macht, was als Bedarf erkannt wird und Verknüpfungen herstellt, wo es keine geben sollte.
Ein brisantes Thema, fesselnd erzählt und mit Details gespickt, die den Leser aufhorchen lassen. Ein Warnsignal für unsere Gesellschaft!
09.04.2018


Jan Weiler, Kühn hat Ärger
Piper
ISBN 978-3-492-05757-8
SFR. 22.-


Klasse Ermittler, der Kühn!

Gerade als in seinem Leben Unsicherheiten auftauchen, der Sohn schiesst quer, die Tochter träumt von unerfüllbaren Wünschen und die Ehegattin scheint sich an seiner Seite zu langweilen, führt ein brutaler Mordfall Kühn in die Welt der Reichen und Schönen, die sich zwar für die vom Schicksal Gebeutelten gerne einsetzen, doch nur um ein gut gehütetes Geheimnis zu verbergen.
Kühn mit seinen analytischen Ermittlungsmethoden, seiner Hartnäckigkeit, die an Verbissenheit grenzt, wie wir sie schon aus dem ersten Kühn- Krimi kennen, sortiert phänomenal und bleibt integer.
Spannend erzählt mit unverhofften Wendungen.
09.04.2018


 Mark Twain und Philip Stead

Das Verschwinden des Prinzen Oleomargarine
Knesebeck
ISBN 978-3-95728-157-9
SFR. 27.-


Aus dem Nachlass des Erfinders
der coolen Jungs

Hätte Mark Twain dieses Buch fertig geschrieben?
Hätte er Tom Sawyer und Huckelberry Finn noch einen Kollegen gegeben?
Jedenfalls ist Johnny, der bei seinem griesgrämigen Grossvater aufwächst ein ebensolch grossartiger Philosoph wie die anderen beiden. Er wandert aus, sein Glück zu machen mit dem Vorsatz, immer freundlich zu allen Menschen zu sein und zu helfen, wo er kann.
Dadurch kommt Johnny zu der Einsicht, dass Großzügigkeit, Empathie und Mut wertvollere Gaben sind als Macht und Geld.

Zum Glück wurden die Fragmente dieser Geschichte entdeckt und wunderschön in Szene gesetzt!
09.04.2018



Lisa Wingate, Libellenschwestern

Limes 
ISBN 978-3-8090-2690-7
SFR. 24.-

Geschwister im Herzen

Wie die Bande einer Senatorenfamilie mit alten Traditionen und einer zerbrochenen Familie von Flusszigeunern miteinander verknüpft sind, kann man hier auf anrührende ebenso wie spannende Weise lesen. 
Was hat es mit dem Libellenarmband, einem alten Familienerbstück, auf sich, dass es Avery in einem Seniorenheim gestohlen wird?

Und was hat ihre eigene Grossmutter damit zu tun?
Antworten kommen nur von Fremden, weil ihre eigene Familie gar nichts über die Familiengeheimnisse weiss.
Teilweise beruht dieser Roman auf Tatsachen, die einen erschauern lassen.
09.04.2018

Arno Camenisch, Der letzte Schnee
Engeler ISBN 978-3-906050-35-5
Sfr. 20.-




Eine kleine feine Parabel

Zwei alte Skiliftbetreuer, Paul und Georg, sitzen im Graubündnerischen vor ihrem Hüttli und warten auf den Ansturm der Skifahrer. Es werden Billets sortiert, Leinen gespannt, um das wilde Treiben der Touristen in geordnete Bahnen zu lenken, der Notfall wird geprobt – allein – es passiert nichts…
Die beiden Männer kommentieren das Weltgeschehen von ihrem Berg herunter. Aus eine Perspektive, die sich manchem im Tal verwehrt.
Und in den meisten Fällen treffen sie den Nagel auf den Kopf!
Der Leser profitiert auch noch von dem einen oder anderen Schweizer Schimpfwort, welche ich aber hier nicht aufschreiben darf, sagt Lilly.
Zum Schluss geht alles den Bach runter:
Das alte Radio rauscht nur noch. Am Ende bleibt gar die Uhr stehen. Bevor beide aus der Zeit fallen, weiß Georg Rat und ruft die Zeitansage an. Dann fällt der Strom aus. Und nicht nur die Telefonleitung ist tot. Beide warten. Schließlich stellt Georg fest „Godo kommt nicht“. Wer, fragt Paul.

Nach Schweizer Manier, karg aber liebenswert, sollten diese beiden Einzug halten in den Olymp der Weltliteratur!
09.04.2018

Ellen Sandberg,
Die Vergessenen
ISBN
978 3 328 10089 8
Penguin Sfr. 15.-
                                   
 „Wenn er vor zwanzig Jahren nicht Köster über den Weg gelaufen wäre, sässe er jetzt wahrscheinlich im Gefängnis oder läge bereits six feet under. Ohne ihn, der ihn unter seine Fittiche genommen hatte und in gewisser Weise die Vaterstelle bei ihm vertrat, hätte er weder seine Wut in den Griff bekommen, noch die schönen Seiten des Lebens entdeckt und gelernt, sie zu geniessen. Malerei, Musik, das Theater, gutes Essen, Literatur. Auf keinen Fall hätte er es zum eigenen Autohaus gebracht. Ein Zufall hatte seinem Leben eine andere Richtung gegeben.“       
 Manolis – Sohn eines vom Krieg traumatisierten Griechen und einer Flower-Power-Hippie- Dame – ist für mich schon jetzt eine schillernde Figur in der deutschen Unterhaltungsliteratur.

Zwiegespalten zwischen Recht und Gesetz gerät er vor eine folgenschwere Entscheidung.Häppchenweise erfährt der Leser von Verbrechen aus der Zeit des Nationalsozialismus, die bis heute ungesühnt geblieben sind. In den Wirren der Nachkriegszeit schafften es viele, sich von den Vorwürfen zu distanzieren.So betreffen die Recherchen, die Manolis im Auftrag seines Gönners anstellt nicht nur die deutsche Gesellschaft, es geht auch um grundsätzliches:ungesühnte Kriegsverbrechen belasten bis in unsere Generation ganze Familien. Und die, die Zeugnis ablegen könnten, werden immer weniger.Deshalb ist es an der Zeit, jetzt die Dinge offen auszusprechen,Mahnmale zu schaffen, die an die Menschlichkeit appellieren.Hoffentlich geschehen solche furchtbaren Verbrechen nie wieder!Mit diesem Roman hat Ellen Sandberg den „Vergessenen“ ein Denkmal gesetzt. Ich wünsche diesem Buch viele Leser! Und mir, dass es von Manolis noch mehr gibt. Er hat jede Menge Potential! 
13.1.18